Die Marzdorfer Pfarrkirche St. Katharina gehört zu den ältesten im Deutsch Kroner Land. Die heutige Kirche erbaute der Tützer Grundherr Christoph von Wedell im Jahre 1627; der Posener Bischof Adalbert Tholibowski konsekrierte sie 16601Geschichte der katholischen Kirchengemeinde Marzdorf auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Familienforscher (AgOFf).. Mehrere Anbauten sind bekannt, so wurde die Kirche im Jahr 1910 durch eine Küsterei erweitert2Patronatslasten Marzdorf, Aufstellung in Acta der Königlich Preuss. Regierung in Marienwerder betreffend die Bauten bei der Schule in Königsgnade, Kreis Dt. Krone – 1887-1936, Archiwum Państwowe w Poznaniu Oddział w Pile, Signatur: 55/907/0/2.1.2.3/4585, unpaginiert..
Die heutige Kirche hatte gewiss mehrere Vorgängerbauten, denn bereits im Neumärkischen Landbuch von 1337 wird von einer »sehr alten Kirche« im damaligen Martinsdorp gesprochen und dem Ortspfarrer waren vier der 64 Hufen des Ortes zugeteilt3Georg Wilhelm von Raumer: Die Neumark Brandenburg im Jahre 1337, Berlin 1837, S. 105.. Ob auch die früheren Kirchenbauten der Heiligen Katharina geweiht waren, ist ungewiss, aber nach den Erkenntnissen der Kulturwissenschaftlerin Dagmar Jestrzemski sehr wahrscheinlich. Jastrzemski hat erforscht, dass das Stormaner Rittergeschlecht der von Wedel bereits in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Heilige Katharina aus Alexandrien zur Familienpatronin erwählte. Das sogenannte Katharinenrad – eigentlich ein Richtrad – findet sich seit dieser Zeit in Wappen und Siegel der Familie4Dagmar Jestrzemski: Katharina von Alexandrien. Die Kreuzritter und ihre Heilige, Berlin (Lukas) 2010..
Als die Familie von Wedel 1268 Ländereien jenseits der Oder im Grenzgebiet zwischen Pommern, Brandenburg und Polen erwarb, führte sie die Heilige Katharina mit. Schon im Jahr 1296 wird in Reetz eine spätgotische Katharinenkirche erwähnt, im Jahr 1350 errichtete Hasso der Rote von Wedel in Dramburg eine Kapelle mit Katharinenaltar5Ebenda, S. 54.. Auch das Wappen der Stadt Tütz, die 1333 ein Privileg der Brüder Stanislaus und Christoph von Wedel erhielt, zeigte bis 1945 eine blaugewandete Katharinenfigur mit zwei roten Rädern. Im heutigen Wappen der Stadt Tuczno sind beide Richträder erhalten geblieben, die heilige Katharina musste jedoch einem stilisierten Ritterhelm weichen.
Aus den Kirchenbüchern von Marzdorf sind drei Siegel bekannt, die ein Bildnis der heiligen Katharina zeigen. Das erste Siegel in lateinischer Sprache findet sich bis 1863 als Stempel im Kirchenbuch-Duplikat. Es hat die Umschrift »SIGILUM ECCLESIÆ MARCIN∙COVIENSIS ✶ SUB TIT. S: CATHARINÆ« und zeigt eine Katharinenfigur mit Richtrad und Palmzweig.
Das zweite Siegel in deutscher Sprache wurde ab 1864 verwendet. Es zeigt das Bild der heiligen Katharina umgeben vom Schriftzug: »SIEGEL DER MUTTER-KIRCHE ZU MARZDORF UNTER D. TITEL S. CATHARINÆ« und das Jahresdatum »1839«. Es ist ungewiss, was diese Jahreszahl zu besagen hatte. Vermutlich sollte sie an den ersten »Kirchenkampf« in Preußen erinnern, denn im Februar 1839 wurde der Posener Erzbischof Martin von Dunin seines Amtes suspendiert und zu einer Haftstrafe verurteilt. Die stilisierte Katharinenfigur auf dem Siegel wird bekrönt mit Richtrad und Zweig dargestellt.
Das dritte Siegel benutzte Pfarrer Rehbronn im Jahr 1933 als Stempel. Es zeigt ebenfalls eine bekrönte Katharinenfigur mit Richtrad und Palmzweig mit der Umschrift »SIEGEL DER MUTTERKIRCHE ZU MARZDORF UNTER D. TITEL S. CATHARINÆ«. Die Jahreszahl 1839 fehlt jedoch.
Die Heilige Katharina von Alexandrien gehört zu den bekanntesten Heiligen der christlichen Kirche. Nach der Heiligenlegende, die im 7. Jahrhundert entstand, war Katharina eine Königstochter, die um 300 in Alexandria lebte und von einem Einsiedler zum Christentum bekehrt wurde. Weil Katharina große Überzeugungskraft besaß, soll sie vom römischen Kaiser Maxentius (oder Maximinus oder Maximianus) zum Tod durch das Rädern verurteilt worden sein. Durch ein Gebet der Heiligen zerbrachen jedoch die Richträder während der Hinrichtung. Katharina soll daraufhin enthauptet worden sein.6Siehe zur Heiligenlegende auch https://bistum-augsburg.de/Heilige-des-Tages/Heilige/KATHARINA-VON-ALEXANDRIEN.
Nach dem heutigen Forschungsstand ist die Heilige Katharina höchst wahrscheinlich eine erfundene Figur, die auf einer klassischen Täter-Opfer-Verkehrung beruht. Vorbild für die Heiligenlegende war offenbar die griechische Mathematikerin Hypathia von Alexandria (ca. 355–415/416), die am Museion ihrer Vaterstadt auch Astronomie und Philosophie unterrichtete. Hypathia wurde von Angehörigen einer militanten christlichen Laienbruderschaft ermordet, ihre Leiche dann zerstückelt und verbrannt.7Jestrzemski, a. a. O., S. 89.
Da es keine Belege für die tatsächliche Existenz der Heiligen Katharina gibt, wurde ihr Gedenktag 1969 aus dem katholischen Calendarium Romanum Generale gestrichen, aber 2002 wieder aufgenommen. Der Gedenktag ist der 25. November.
Anmerkungen:
- 1Geschichte der katholischen Kirchengemeinde Marzdorf auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Familienforscher (AgOFf).
- 2Patronatslasten Marzdorf, Aufstellung in Acta der Königlich Preuss. Regierung in Marienwerder betreffend die Bauten bei der Schule in Königsgnade, Kreis Dt. Krone – 1887-1936, Archiwum Państwowe w Poznaniu Oddział w Pile, Signatur: 55/907/0/2.1.2.3/4585, unpaginiert.
- 3Georg Wilhelm von Raumer: Die Neumark Brandenburg im Jahre 1337, Berlin 1837, S. 105.
- 4Dagmar Jestrzemski: Katharina von Alexandrien. Die Kreuzritter und ihre Heilige, Berlin (Lukas) 2010.
- 5Ebenda, S. 54.
- 6Siehe zur Heiligenlegende auch https://bistum-augsburg.de/Heilige-des-Tages/Heilige/KATHARINA-VON-ALEXANDRIEN.
- 7Jestrzemski, a. a. O., S. 89.