Königsgnade war eines der jüngsten Dörfer im Kreis Deutsch Krone – und konnte zugleich auf eine jahrhundertelange Geschichte zurückblicken. Die Geburtsstunde des Dorfes fällt in das Jahr 1820, als in Marzdorf die Bauernäcker vom Gutsland geschieden wurden und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse begann. In den folgenden drei Jahren übersiedelten neunzehn freigewordene Bauern und sechs Kossäthen mit ihren Familien aus dem Dorf auf die offene Feldmark und gründeten eine eigene Landgemeinde.
Die neue Siedlung hatte zuerst keinen Namen und wurde das »Neue Dorf« oder auch »Neu Marzdorf« benannt. Als die Umsiedlung 1823 abgeschlossen war, empfahl der mit der Durchführung befasste preußische Staatskommissar Ehlert, das neue Gemeinwesen »Königsgnade« zu nennen. Der Name erinnert an den preußischen König Friedrich Wilhelm III., der mit dem Oktoberedikt von 1807 und den späteren Ausführungsgesetzen die Freiheit der Bauern ermöglicht hatte. Dörfer ähnlichen Namens entstanden zu dieser Zeit auch im Kreis Schwetz (»Königsdank«) und im Kreis Pillkallen/Ostpreußen (»Königshuld«).
Die Kosten der Umsiedlung trug im Falle von Königsgnade der damalige Gutsherr, Kalixtus von Grabski, der in Marzdorf selbst keine freien Bauern dulden wollte und außerdem eine Erweiterung des Schloßparks plante. In einem Brief an die preußische Regierung aus dem Jahr 1832 schilderte von Grabski seine Sicht der Dorfgründung:
»Die nächste Folge der Dienstregulirung war, daß ich mich genötigt sah, die bäuerlichen Wirthe des Dorfes Martzdorf auf die ihnen zustehenden Acker abzubauen. Ich gründete ein neues Dorf, aus 25 Bauerngehöften mit 30 Feuerstellen und beinahe 100 Gebäuden bestehend, das in regelmäßiger Form aufgeführt, mit Recht zu den schönsten in der Provinz gezählt werden mag. Königsgnade nannte ich es in dem Vertrauen, daß die Gnade meines allerdurchlauchtigsten Königs und Herren es mir möglich machen werde, mich dereinst der Früchte dieser Anlage zu erfreuen.«
▹ Brief von Kalixtus von Grabski an die königliche Regierung vom 3. April 1832, Original im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK 1. HA Rep. 167 Nr. 323)
1826 war Königsgnade schon eine Landgemeinde für sich, gehörte jedoch weiterhin zum Amtsbezirk und zum Standesamt Marzdorf. 1841 wird Königsgnade in den Steuerkatastern als »Abbau von Marzdorff« geführt, und bis 1946 war die Marzdorfer Pfarre auch für die katholischen Einwohner von Königsgnade zuständig.
Die folgenden Zeittafel gibt einen kurzen Abriß der Geschichte von Königsgnade bzw. Marzdorf.
1337 | Marzdorf (Martinsdorp) wird im Landbuch der Neumark Brandenburg erstmalig erwähnt. Das Dorf gehört zum Lande Boethin, hat 64 Hufen, von denen vier als Pfarracker dienen. Lehnsherr des Dorfes ist Henrick Brisser, dem ebenfalls vier Hufen gehören. | |
1368 | Der Brandenburger Markgraf Otto V. verkauft das Deutsch Kroner Land an den polnischen König Kasimir III. | |
1435 | Im Ewigen Frieden von Brest verzichtet der Deutsche Orden gegenüber Polen-Litauen auf seinen Besitz im Deutsch Kroner Land. Marzdorf ist zu dieser Zeit strittiger Besitz zwischen der Tützer und der Friedländer Linie der Familie von Wedel. | |
1550 | Unter Stanislaus v. Wedel wird die Reformation eingeführt. Die Marzdorfer Kirche wird protestantisch, ein protestantischer Pfarrer lebt im Dorf. | |
1599 | Christoph von Wedel (der Sohn von Stanislaus) schafft die Reformation wieder ab. Die Marzdorfer Kirche wird wieder katholisch. | |
1607 | Der erste katholische Pfarrer wird in Marzdorf angestellt. Er ist der Jesuit Gregorius Reimers. | |
1609 | Marzdorf geht in den alleinigen Besitz der Familie von Wedel in Tütz über. | |
1610 | Ein Brand vernichtet das ganze Dorf. | |
1627 | Andreas von Wedel (genannt Tucynski) läßt eine neue Pfarrkirche erbauen, die am 8. Mai 1628 die kirchliche Benediktion erhält und 1660 durch den Bischof von Posen, Albert von Tholibowski, konsekriert wird. Die Kirche ist der Heiligen Katharina geweiht. | |
1731 | Nach dem Aussterben der Tützer Familie von Wedel im Mannesstamm wird der Besitz auf die Erben aufgeteilt. Der sogenannte Marzdorfer Schlüssel fällt an die Tochter Marianne von Wedel, verehelichte Mycielski. Am 8. Juli 1731 erhält Marzdorf ein neues Dorfprivileg, das in deutscher Sprache abgefaßt ist. In Marzdorf gibt es zwei Zins- und 18 Scharwerksbauern. | |
1741 | Gräfin Theresia Skoraczewski erbt den Marzdorfer Schlüssel. Das Dorfprivileg von 1731 wird ergänzt. | |
1743 | Joseph Wellmann ist Pfarrer in Marzdorf. Im folgt 1747 Stanislaus Krenz-Wineczki und um 1770 Martin Krüger. 1779 wird Jacob Schley erwähnt, er ist Schreiber in Marzdorf. | |
1772 | In der ersten Polnischen Teilung fällt auch Marzdorf an Preußen. Das Dorf ist mit dem Croner Kreise Bestandteil des Netze-Distrikts. | |
1773 | Das Amt Friedland erstellt ein Kontributionskataster von Marzdorf. Im Dorf gehören 16 Hufen Land dem Gutsherrn, vier dem Schulzen, eine dem Krug. Die Zinsbauern verfügen gemeinsam über drei Hufen, die Scharwerker über 18, Zinskossäthen über zwei Hufen. Der Kirchenbesitz umfaßt mehr als eine Hufe. | |
1789 | In der Goldbeckschen Topographie werden die »Martzdorfschen Güter, der von Krzickischen Familie gehörig, darunter die kath. Kirchdörfer Martzdorf oder Marcinkau, Strahlenberg, Stibbe, Brunk, Lubsdorf, Mellentin und Ruschendorf« aufgeführt. Marzdorf selbst hat 55 Feuerstellen. | |
1806 | Nach Napoleons Sieg über Preußen fällt der östliche Teil des Netze-Distrikts an das neugeschaffene polnische Herzogtum Warschau. Deutsch Krone und Marzdorf bleiben preußisch. | |
1807 | Johann Neumann wird Schullehrer in Marzdorf. | |
1810 | Der Marzdorfer Schlüssel wird geteilt, Marzdorf (mit Brunk und Lubsdorf) fällt an Kalixtus von Grabski. | |
1816 | Marzdorf kommt mit dem Kreis Deutsch Krone zum Regierungsbezirk Marienwerder in der preußischen Provinz Westpreußen. | |
1820 | Im Zuge der Bauernbefreiung wird das Dorf Königsgnade von 19 Marzdorfer Bauern- und sechs Kossäthenfamilien gegründet. Vor Gründung von Königsgnade hatte Marzdorf 448 Einwohner und 52 Feuerstellen. | |
1827 | Königsgnade bekommt eine eigene Schule. Der erste Schullehrer ist Franz Erpenstein, bislang Hilfslehrer in Tütz, der 1823 sein Examen in Graudenz ablegte. Pfarrer in Marzdorf ist zu dieser Zeit Conrad Busse, ihm folgen die Pfarrer Karski und Katzer. | |
1830 | Königsgnade hat 207 Einwohner in 30 Häusern. Die Einwohnerzahl von Marzdorf ist auf 275 gefallen, die in 34 Häusern wohnen. | |
1835 | Am 18. Januar stirbt »der frühere Gutsherr Kalistus von Grabski, 51 Jahre alt, als Einlieger« in Schloppe. Das Gut war kurz zuvor zwangsversteigert worden, der neue Besitzer ist Stadtrichter Kloer aus Roggow, er verkaufte es 1847 der Familie Guenther. 1841 umfaßte das Gut rund 2200 Hektar Land. | |
1845 | Königsgnade erhält eine Schmiede, die von Schmiedemeister Haedke geführt wird. | |
1848 | September bis November: Cholera-Epidemie im Kreis Deutsch Krone. In Marzdorf, Lubsdorf und Königsgnade erkranken 85 Personen, 17 Tote sind zu beklagen. | |
1850 | In Königsgnade wird die Separation vollzogen und der Flurzwang aufgehoben. Jeder bäuerliche Eigentümer wirtschaftet jetzt für sich allein. Das Dorf umfaßt 793 Hektar Land. | |
1871 | In Königsgnade leben 61 Familien (178 männliche und 168 weibliche Einwohner) in 40 Wohngebäuden. 337 Einwohner sind katholischer Konfession, neun evangelisch. 82 Einwohner von Königsgnade sind unter zehn Jahre alt, 233 können Lesen und Schreiben, vier sind Analphabeten. – Eduard Krefft wird Pfarrer in Marzdorf. | |
1877 | Wirtschaftskrise in Preußen. Die Familie Laurenz Ziebarth aus Königsgnade wandert nach Australien aus. | |
1893 | Am 20. August stirbt der Marzdorfer Pfarrer Krefft. Sein Nachfolger wird 1894 Propst Jacob Gerth, der ab 1912 auch Dekan des Dekanats Deutsch Krone ist. | |
1905 | Königsgnade hat 354 Einwohner, die in 59 Wohnhäusern leben. Die gesamte Bevölkerung des Dorfes ist katholisch und gibt Deutsch als Muttersprache an. Der Flächeninhalt des Dorfes beträgt 853,5 Hektar. | |
1914-1918 | Im Ersten Weltkrieg zählt Königsgnade 13 Kriegstote. – Am 1.10.1918 wird Paul Rohbeck Lehrer in Königsgnade. Sein Jahresgehalt beträgt 93 Mark, zur Lehrerstelle gehören außerdem elf Morgen Land. | |
1919 | Im Friedensvertrag von Versailles werden die preußischen Provinzen Westpreußen und Posen weitgehend dem neugeschaffenen polnischen Staat zugesprochen. Der Kreis Deutsch Krone und auch Königsgnade bleiben deutsch. | |
1920 | Im Sommer feiert Königsgnade den 100. Jahrestag der Dorfgründung mit Umzug und Volksfest. | |
1921 | Am 11. Januar 1921 wird aus den bei Deutschland verbliebenen Gebietsteilen Posens und Westpreußens die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen gebildet; die Hauptstadt der Provinz ist Schneidemühl. – Robert Weimann wird Pfarrer von Marzdorf. | |
1927 | Die Marzdorfer Kirche besteht 300 Jahre, der Jahrestag wird festlich begangen. | |
1929 | Lehrer Paul Rohbeck verläßt am 1. Mai 1929 Königsgnade, sein Nachfolger wird Otto Pfeiffer. | |
1931 | Max Ziebarth wird zum Ortsvorsteher von Königsgnade gewählt. Sein Stellvertreter ist Adalbert Günterberg. Ziebarth ist ein Mann mit Tatkraft und Visionen, er bleibt Bürgermeister bis 1945. | |
1932 | Königsgnade erhält ein neues Schulgebäude mit Zentralheizung und Sportplatz. Die Schule ist einklassig, es unterrichten Lehrer Pfeiffer und der Referendar Franz Heymann aus Brunk, der jedoch wenig später nach Arnsfelde versetzt wird. | |
1935 | Pfarrer Robert Weimann verläßt Marzdorf, sein Nachfolger wird Leo Rehbronn. | |
1938 | Die preußische Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen wird aufgehoben. Der Kreis Deutsch Krone und damit Königsgnade und Marzdorf fallen an den Regierungsbezirk Grenzmark Posen-Westpreußen, der ein Teil der Provinz Pommern ist. – Im Mai 1938 wird die Dorfstraße von Königsgnade und die Verbindung nach Marzdorf asphaltiert. Die Ausführung obliegt dem Reichsarbeitsdienst, die Arbeiter finden in der alten Schule Unterkunft. | |
1939 | Königsgnade hat 304 Einwohner, die in 59 Haushaltungen leben. – Der Zweite Weltkrieg beginnt, zahlreiche Königsgnader werden zum Kriegsdienst eingezogen. Bis 1945 zählt das Dorf 15 Kriegstote und vier Vermisste. – Für den Krieg werden in Königsgnade Pferde beschlagnahmt, die Bauern unterliegen der Wirtschaftskontrolle, Milch und Ernteerträge müssen abgeführt werden. | |
1940 | Nach dem Frankreichfeldzug kommen französische Kriegsgefangene nach Königsgnade. Sie werden in der alten Schule einquartiert und in der Landwirtschaft eingesetzt. Mit Beginn des Rußlandfeldzuges werden auch polnische und ukrainische »Fremdarbeiter« in Königsgnade dienstverpflichtet. | |
1944 | Am 27. Mai stirbt der Marzdorfer Pfarrer Rehbronn. Sein Nachfolger wird Pater Konrad Pickmeier. |
Ab dem Sommer 1944 beschleunigt sich die Geschichte so sehr, daß die Zeittafel nicht mehr in der alten Form fortgeführt werden kann. Die weiteren Ereignisse finden sich hier.